Die Gedenkkultur in Europa, vor allem aber auch in unserer heimatlichen Region, erfährt alljährlich eine besondere Bedeutung beim Europäischen Tag der jüdischen Kultur am ersten Septembersonntag. Gerade die Förder- und Freundeskreise in den einstigen Landjudengemeinden im süddeutschen Raum bekommen an diesem Tag besondere öffentliche Aufmerksamkeit und finden ein Forum, ihre Erinnerungsarbeit einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Damit leisten diese Einrichtungen einen wichtigen Beitrag, durch Wissensvermittlung die heutige Generation zu einem Lernprozess zu motivieren und einem immer wieder aufflackernden Antisemitismus gegenzusteuern.
Persönliche Führungen für zahlreiche interessierte Gäste
Bedingt durch die Baumaßnahme bei der Alten Synagoge Binswangen war heuer nur eine begrenzte Besichtigung des historischen Bauwerks möglich. Dennoch kamen viele Besucher*innen, die sich für fachkundige Informationen bei einer persönlichen Führung mit Johann Urban und am Informationstisch interessierten. Ein möglicher Blick in den Innenraum des einstigen jüdischen Gotteshauses sowie die Betrachtung der Außenfassade mit dem neu angelegten barrierefreien Zugang weckte sichtliches Interesse für eine künftige intensivere Auseinandersetzung mit der kulturellen Bedeutung der einstigen Landjudengemeinde.
Überraschend viele interessierte Gäste fanden den Weg zum jüdischen Friedhof am Judenberg. Alfred Sigg aus Wertingen und Anton Kapfer, der Vorsitzende des Förderkreises Synagoge Binswangen, führten mehrere Besuchergruppen durch die Anlage, die in der Diktion der jüdischen Glaubenstradition als „Haus der Ewigkeit“ bzw. als „Guter Ort“ bezeichnet wird. Mit der Vermittlung der Geschichte des jüdischen Friedhofs erfuhren die sehr interessierten Gäste auch viele Details über die jüdische Bestattungspraxis und über die Geschichte der einstigen Landjudengemeinde. Die Interessenten, die sogar aus der Bodenseeregion oder auch aus dem benachbarten Baden-Württemberg angereist waren, stellten viele Fragen und signalisierten damit intensives Interesse an jüdischer Glaubens- und Gesellschaftskultur. Große Betroffenheit war in den Gesprächen immer zu spüren, wenn fehlendes Geschichtswissen und daraus resultierende antisemitische Begleiterscheinungen zur Sprache kamen. Sehr erfreulich ist, dass sich auch viele junge Menschen bei der Begehung und Besprechung der Grabdenkmäler für die Thematik interessierten.
Förderkreis setzt sich seit Jahren für jüdische Geschichte ein
Mit großer Intensität und starker Empathie versuchen die Verantwortlichen des Förderkreises bei Führungen in der einstigen Synagoge und im jüdischen Friedhof, die Besucher*innen stets mit geschichtlichen Fakten zu konfrontieren. Das Wissen über die Kultur der einstigen Menschen jüdischen Glaubens und die Kenntnis der historischen Zusammenhänge bilden das wichtigste Fundament für Toleranz und friedliches Miteinander. (pm)